Eine quärchenhafte Premiere in Osnabrück
Erzähler:innen variieren ihre Programme immer wieder, je nach Zielgruppe, Anlass und Stimmung. Wenn eine Erzählerin aber etwas ganz Neues wagt, dann ist es in der Tat eine Premiere. Und die fand mit Verena Maretzki am 5. Mai im Erzähltheater Osnabrück statt, denn Verena erzählte: Grimmsche Quärchen.
Im Rahmen des queeren Festivals „Gay in May“ webte meine Kollegin Verena Maretzki, die Wortweberin aus Hannover, neue queere Märchen, also Quärchen, aus den bekannten Grimmschen Fassungen. Und tat damit das, was Generationen von Erzähler:innen, auch Jakob und Wilhelm Grimm 1812, vor ihr taten, sie webte den Märchen ein neues Kleid mit unseren heutigen Vorstellung von Geschlechtern und Nicht-Geschlechtern, von binär und non-binär, von dem Hellblau und Rosa und von dem, was ein Mädchen darf und Jungen eben auch: vom Einhornlieben.
Es machte Spaß, dabei vom Aschenpiet zu hören und von einem Dornröschen, dass durch eine mutige Prinzessin erlöst wird. Besonders liebte ich die Geschichte von der Wassernixe und Sier. Nein, kein Name, sondern ein neues Pronom – „si – er“. Also eine Kombination aus „sie“ und „er“ als ein Pronom für Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann fühlen oder die sich als Frau und als Mann fühlen. Entwickelt hat das neue Pronom nicht Verena Maretzki, sondern Illi Anna Heger. Sier ist eine non-binäre Person und zeichnet Comics.
Es ist erstaunlich, wie ein kleines Pronomen die Wahrnehmung des Erzählens verändert. Eine Stimme aus dem Publikum dazu: „Waghalsig. Aber mir hat es gefallen!“